Lebensfrage: "Es könnte alles so schön sein"
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Zukünftiger Hofübernehmer, 28 Jahre:
Lange habe ich überlegt, ob ich Ihnen schreiben soll. Mein
Leidensdruck wird aber immer größer und ich muss mir das einfach
von der Seele schreiben. Jetzt soll ich im nächsten Jahr den
Hof meiner Eltern übernehmen. Das wollte ich auch immer gerne,
nur ich fange an zu zweifeln, ob ich das wirklich tun soll.
Meine Mutter ist nämlich seit Jahren psychisch krank (eine körperliche
Erkrankung hat sie auch) und das wird immer schlimmer.
Mein Vater leidet auch darunter. Es geht so weit, dass sie
mich ständig kritisiert und ich kann ihr nichts recht machen.
Ich arbeite viel am Hof, aber ich bin noch jung und gehe auch
manchmal fort. Dann schimpft sie mich wie ein kleines Kind.
Wenn ich ihr dann sage, dass sie dazu kein Recht hat, dann wird
sie nur noch lauter. Wenn mein Vater dann zu mir hält, eskaliert
überhaupt jede Situation. Ich verstehe das einfach nicht, warum
sie so ist. Es könnte alles so schön sein, der Betrieb steht gut da
und seit einem Jahr habe ich eine Freundin, die mit mir gemeinsam
den Hof einmal bewirtschaften möchte. Aber zurzeit würde
ich am liebsten davonlaufen. Könnten Sie einmal zu uns auf den
Hof kommen und mit meiner Mutter reden?
Beraterin Erika Trampitsch:
Ich kann gut verstehen, dass es
Ihnen ein Anliegen ist, dass jemand
mit Ihrer Mutter spricht
und im günstigsten Fall sich
ein anderes Verhalten Ihnen
gegenüber entwickeln würde.
Dazu bräuchte es allerdings
die Bereitschaft Ihrer Mutter.
Eine Veränderung des eigenen
Verhaltens kann nur dann
entstehen, wenn Ihre Mutter
selbst dies möchte bzw. erkennen
kann, was sie durch ihr
Verhalten bei Ihnen auslöst.
Sie schreiben „es könnte alles
so schön sein“. Ich möchte Ihnen
empfehlen, dass Sie die
Gegebenheiten – auch wenn
noch so schwierig zurzeit – anzunehmen
und zu akzeptieren
versuchen. Es ist ganz einfach
Realität, dass Sie unter dem
Verhalten Ihrer Mutter leiden
und dass Sie zukünftige Entscheidungen
anzweifeln – das
sollten Sie sich im Sinne Ihrer
Eigenverantwortung zugestehen.
Das heißt ja nicht, dass
sich Ihre Lebens- und Zukunftssituation
nicht ins Positive entwickeln
kann – da möchte ich
Sie zuversichtlich stimmen!
Vielleicht braucht es eine Auseinandersetzung
auf zwischenmenschlicher
Ebene innerhalb
der Familie. Gerne stehe ich
Ihnen für ein Erstgespräch zur
Verfügung (um mir ein besseres
Bild machen zu können. Ich
denke, das Thema ist komplexer).
In weiterer Folge entwickelt
sich möglicherweise ein
Beratungsprozess, in den die
Mutter (und der Vater) eingebunden
werden kann – sofern
sie damit einverstanden ist.