Lebensfrage: "Darf ich meinen Vater ins Heim geben?"
Bauer:
Meine Mutter ist früh verstorben und mein Vater und ich haben
den ganzen Betrieb geschaukelt. Wir haben uns immer gut
verstanden und gut zusammengearbeitet. Das war eine schöne
gemeinsame Zeit. Er ist jetzt 86 Jahre alt und aufgrund seiner
Demenzerkrankung wird es immer schwieriger mit ihm. Meine
Frau versorgt ihn fast rund um die Uhr und auch ich helfe mit,
wo ich nur kann. Eigentlich können wir ihn nicht mehr alleine
lassen. Seit vielen Monaten wird uns einfach alles zu viel. Die
Arbeit am Hof bleibt ja nach wie vor zu tun. Unser Sohn – der
zukünftige Hofnachfolger – hilft fleißig mit, aber die menschliche
Belastung mit der Pflege des Vaters ist kaum mehr auszuhalten.
Meine Geschwister leben im Nachbarort, sie kommen
zu Besuch und meinen es gut mit ihren Ratschlägen. Sie sagen,
dass wir uns eine 24-Stunden-Pflegekraft nehmen sollen, aber
das können wir uns nicht leisten. Wir haben noch einen Kredit
zu zahlen und ich möchte den Hof einmal schuldenfrei übergeben.
Jetzt überlegen wir, ob wir für den Vater einen Platz im
Pflegeheim organisieren sollen. Aber ich bekomme ein schlechtes
Gewissen, schiebe ich meinen Vater dann ab?
Beraterin Erika Trampitsch:
Die Menschen um einen herum
(Geschwister, Verwandte,
Nachbarn …) unterschätzen
in den meisten Fällen, welch
belastende Auswirkungen die
Pflege von Angehörigen über
viele Jahre bekommen kann.
Das endet oftmals sogar in einer
eigenen Erkrankung (psychisch
und körperlich). Dieses
belastende Gefühl, „es ist
zu viel“, können andere nicht
nachempfinden – jedoch Sie
und Ihre Frau sollten das sehr
ernst nehmen – das dürfen Sie!
Sie schreiben, dass Sie sich immer
gut mit Ihrem Vater verstanden
haben und eine gute
Zusammenarbeit bestanden
hat. Möglicherweise hat Ihr
schlechtes Gewissen und Ihr
Gedanke, den Vater nun „abzuschieben“,
auch ein bisschen
etwas mit Ihrer guten und
schönen gemeinsamen Vergangenheit
zu tun? Ich denke,
man sollte unterscheiden zwischen
einer Versorgung und
Unterstützung der alternden
Eltern am Hof (Essen, Wäsche,
Reinigung, Arztbesuche,
Einkauf) und einem Gesundheitszustand
der Eltern, welcher
bereits pflegerische Maßnahmen
erfordert. An diesem
Punkt darf hinterfragt werden,
ob man das selber noch schaffen
kann, denn Pflege ist ein
eigener Beruf mit langjähriger
Ausbildung. Sie würden so gesehen
für Ihren Vater – trotz
Aufenthalt in einem Pflegeheim
– gut sorgen, da eine fachliche
Betreuung dort für ihn
gewährleis tet wäre, und das
hat nichts mit „abschieben“ zu
tun. Es ist sicherlich keine einfache
Entscheidung für Sie und
das tut auch weh – ich wünsche
Ihnen Mut und Kraft für
eine passende Veränderung im
Sinne aller Beteiligten.