Lebensfrage: "Unser Hof ohne Gäste - das bricht mir das Herz!"
Bäuerin, 57 Jahre, aus dem Tennengau:
Liebe Frau Trampitsch! Mittlerweile lebe ich seit 31 Jahren gemeinsam
mit meinem Mann am Hof, den wir auch gemeinsam von seinen
Eltern übernommen haben. Ich konnte mir über die Jahre hinweg ein
nettes Zweitstandbein durch die Vermietung aufbauen. Angefangen
haben wir mit Privatzimmervermietung, wobei wir ständig umgebaut
und erneuert haben, und derzeit vermiete ich in unserem
Bauernhaus zwei schöne, wenngleich schon in die Jahre gekommene
Appartements. Unser Sohn hat vor zwei Jahren eine liebe Frau geheiratet,
die aber mit der Vermietung nichts zu tun haben will. Sie will
auch wieder in ihren erlernten Beruf einsteigen, wenn die beiden
Kinder größer sind. Mir bricht es fast das Herz, wenn ich sehe, dass
mein Aufgabenbereich mit der Zeit verschwinden wird. Ich habe auch
schon wieder Pläne gemacht, wie man die Ferienwohnungen erneuern
kann und somit wieder die Auslastung erhöht. Noch haben mein
Mann und ich den Hof nicht übergeben. Aber was ist dann mit meiner
Vermietung, wenn die Schwiegertochter das Sagen hat? In der
Familie finde ich keinen großen Zuspruch, alle meinen, ich solle doch
froh sein, wenn ich die Gästebetreuung endlich los bin. Ich bin schon
etwas verzweifelt, denn der Umgang mit den Gästen und die vielen
netten Gespräche werden mir sehr fehlen. Ehrlich gesagt, kann ich
mir unseren Hof ohne Gäste gar nicht vorstellen!
Beraterin Erika Trampitsch:
Es scheint so, dass Ihnen die
Vermietung und der Gästekontakt
sehr ans Herz gewachsen
sind – ich habe den Eindruck,
dass das für die anderen Familienmitglieder
nicht in diesem
Ausmaß gilt. Deshalb stelle
ich mir die Frage, ob eine mögliche
Vereinbarung, dass Sie
noch einige Jahre – auch nach
der Hofübergabe – die Vermietung
weiter betreiben, auch im
Sinne der Übernehmer wäre,
da die Schwiegertochter ohnehin
in ihren erlernten Beruf
wieder zurück möchte? Es
sei denn, die junge Generation
will keine Gästevermietung am
Hof – auch diese Veränderung
sollte respektiert werden. Dass
Sie das schmerzen würde, bei
all Ihrem Engagement, das ist
mehr als verständlich. Ich darf
Sie auf eine noch andere Sichtweise
aufmerksam machen:
Sie haben über Jahrzehnte mit
viel Energie Aufbauarbeit für
Ihr Standbein „Vermietung“
geleistet.
Dazu kommen noch
viele andere Bereiche (Kinder,
Arbeit am Hof, Haushalt usw.).
Ich meine, Sie dürfen sich auch
die Fragen stellen: „Wozu hatte
ich nie Zeit?“ „Welche Interessen
möchte ich nun leben?“
„Was macht mir Freude – außerhalb
des Berufes der Bäuerin?“
Wenn Sie gerne Kontakt
zu Menschen haben, gibt es die
Möglichkeit, sich z. B. ehrenamtlich
zu engagieren. Sprechen
Sie auch mit Ihrem Mann
darüber. Wie gestalten Sie beide
Ihre Partnerschaft (gemeinsame
Zeit) in einem neuen Lebensabschnitt
nach der Hofübergabe?
Ich wünsche Ihnen
eine für Sie passende Entscheidung
und alles Gute!